Ein feste Burg 2.0
Das Lied „Komm Gott, Schöpfer Heiliger Geist“ (1529) hat Martin Luther (1483-1546) einem gregorianischen Vorbild nachgedichtet und -komponiert: Dem Pfingsthymnus „Veni creator spiritus“ des Hrabanus Maurus (809). Obwohl Luther zahlreiche katholische Musiktraditionen aufgriff und weiterentwickelte, kritisierte er, vom Papst bereits 1520 exkommuniziert, in diesen Liedern u.a. den Zustand der zeitgenössischen Römischen Kirche – z.B. in seiner Nachdichtung des 12. Psalms „Ach Gott vom Himmel sieh darein“. – Ein ähnliches Klagelied nach biblischem Vorbild vertonte der zwangskonvertierte englische Komponist Thomas Tallis (1505-1585), als die überkommenen Glaubensgebäude seines Heimatlands bereits in Trümmern lagen. Ähnlich „zertrümmert“ erscheint die von zahlreichen zum Teil als simultane Dur- und Moll-Terzen auftretenden Querständen durchzogene Harmonik seiner „Klagelieder des Propheten Jeremiah“. – „Die beste Zeit im Jahr ist mein“ (1538) war von Luther ursprünglich nicht als Lied gedacht. Da sein Inhalt aber die Musik selber ist, wurde das Gedicht schon bald nach Luthers Tod gesungen, u.a. zur Melodie von Johann Baptista Serranus‘ „Wenn wir in höchsten Nöten sein“ (1567), sowie im vierstimmigen Satz von Melchior Vulpius (1570-1615). – „Dem Volk aufs Maul geschaut“ hat Martin Luther u.a. in „Ein feste Burg ist unser Gott“. Zwar ruft der Text keineswegs zum bewaffneten Widerstand auf: Die wichtigste „Waffe“ des Gläubigen bleibt „das Wort“, sprich: der originale Bibeltext. Aber Luthers volkstümliche, energisch bewegte Rhythmen, unverändert erhalten im vierstimmigen Satz seines Zeitgenossen Lucas Osiander (1534-1604), haben es zum Kampflied von Reformation und Bauernkriegen gemacht. Bis heute gehört es weltweit, wenn auch oft in rhythmisch geglätteter Form, zu den wichtigsten Gemeindeliedern reformierter Christen.
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